Sonntag, 23. September 2012

Orientierungslos - wie üblich

 
Hey Leute,

die zweite Woche ist bereits vorbei und es kommt mir vor, als wäre es schon wesentlich länger her, dass ich Wilhelmshaven verlassen habe. Gleichzeitig kann ich es aber noch nicht fassen, dass ich jetzt schon seit einer Woche bei YCM arbeite.
Und ich hab so viel zu berichten, dass ich gar nicht weiß, wie ich das alles aufschreiben soll. So viele kleine Dinge, die ich hier jeden Tag erlebe.


Gastbrüder ;)
Fang ich also mit dem Vertrautesten an: mit meinem Orientierungssinn. Nicht dass man hier auf Grund des Verkehrs so wie so schon Stunden unterwegs ist (meine Arbeit ist ca. 10 km von meinem zu Hause entfernt, für den Hinweg brauche ich ca. 1 Stunde für den Rückweg 1 ½), nein ich muss trotzdem noch mal ungefähr doppelt so lange brauchen, weil ich mal wieder in den falschen Bus oder Angkot eingestiegen bin. Immerhin habe ich schon so einiges von der Stadt gesehen, wobei manche Orte sicherlich nicht gerade die sichersten für einen „bule“ (Ausländer) gewesen sind, erst recht nicht im Dunkeln. Aber gut, ich habe immer wieder nach Hause gefunden.
Einen Tag bin ich mal eben 45 Minuten zu spät bei der Arbeit gewesen, weil ich falsch umgestiegen bin – hat mir aber auch niemand übelgenommen (dicker Pluspunkt für meine Arbeit).
Mein Gastvater (der jetzt gerade auf einer Dienstreise ist) macht sich wohl mittlerweile echt Sorgen, dass ich irgendwann nicht mehr nach Hause finde und schreibt mir deswegen jetzt regelmäßig SMS ob ich gut angekommen bin. Aber gut, ich mache Fortschritte und verlaufe (verfahre) mich immer seltener. Leider gibt es hier aber auch keinen Plan, wo die Strecken der öffentlichen Verkehrsmittel eingezeichnet sind. Und dass es hier ab 6 Uhr abends dunkel ist, macht es mir auch nicht leichter. Aber eigentlich kenne ich das Problem mit der Orientierungslosigkeit ja nur zu gut von zu Hause ;)

Nun aber zu meiner Arbeit, die Montag angefangen hat. Die erste Woche haben Tina und ich jeweils einen Tutor während des Unterrichtes begleitet, damit wir einen Einblick in die Arbeit bekommen.
Von 9 bis 12 findet quasi die erste Stunde statt, dabei ist irgendwann dazwischen immer für eine halbe Stunde Pause. Bis 2 Uhr ist dann wiederum Pause, in der es Mittagessen gibt, welches immer von einigen Schülern zubereitet wird. Der Unterricht am Nachmittag geht ungefähr bis halb 5, manchmal ein wenig länger, manchmal ein wenig kürzer. Vormittags sind hauptsächlich ältere Schüler da, die häufig nicht mehr zur Schule gehen, weil sich ihre Familien das nicht leisten können, oder eben nur nachmittags Unterricht haben. Am Nachmittag kommen die Kinder und Jugendlichen, die noch zur Schule gehen, häufig also auch die Jüngsten (ab 9 Jahre). Eingeteilt werden die Klassen danach, wie gut die Schüler bereits Englisch sprechen, so gibt es einige Klassen, mit denen ich ohne Probleme Unterhaltungen führen kann über alles mögliche, während andere nur so gerade meine Vorstellung verstehen und ich den Rest der Zeit nur verwirrt daneben sitzen kann und versuche auch nur ein Wort zu verstehen.
Pause

Der Unterricht an sich ist aber sehr entspannt. Wir haben keinen Lehrplan, dass heißt man sucht sich irgendein Thema aus und gestaltet seine Stunde dann vollkommen frei. Es werden einige Spiele gespielt - meistens natürlich um die Sprache zu lernen - nebenbei werden aber auch andere Aspekte geschult, als nur die reine Fähigkeit Englisch zu sprechen. Ich hab im Gespräch mit den älteren Schülern und den Tutoren gemerkt, dass die Jugendlichen vor allem auch lernen kritisch zu Denken, in den Schulen hier scheint es nicht der Standard zu sein, dass die Schüler fragen stellen oder ein derartiges Selbstbewusstsein entwickeln können wie bei YCM. Faszinierend finde ich auch, wie sehr Lebensträume hier im Mittelpunkt stehen. In fast jeder Klasse wurde ich zuerst gefragt, was mein Traum ist. Und genauso hat hier auch jedes Kind, jeder Jugendliche seinen eigenen Traum. Bei manchen, gerade den Jüngeren, ist es noch genauso simpel, wie bei deutschen Kindern - die meisten wollen Fußballstars werden. Die älteren haben aber meistens ernstere Träume und beschäftigen sich viel mit ihrem eigenen Hintergrund und was YCM für eine Bedeutung für sie hat und wie sie ihre Träume erreichen können. Ich glaube allen ist bewusst, wie viel ihnen das bringt, was sie lernen - da fühl ich mich tatsächlich schlecht, wenn ich daran denke, wie unmotiviert ich die letzten Jahre war. ;)
Wobei allgemein auch eher ein freundschaftliches Verhältnis zu den Schülern herrscht. Liegt natürlich auch an dem geringen Altersunterschied, aber auch daran, dass bis auf drei Tutoren alle ehemalige YCM-Schüler sind, bzw. teilweise gelegentlich noch selbst am Unterricht teilnehmen.
Ich fühl mich hier auf jeden Fall sau wohl - ich meine, was gibt es besseres als während seiner Pausen irgendwelchen Schülern und/oder Tutoren beim Gitarre spielen zuzuhören und während des Unterrichtes Kubb zu spielen? ;)
Nächste Woche sollen Tina und ich dann die ersten Klassen selbst übernehmen, fürs erste die, die bereits gut Englisch sprechen - ich muss jetzt also Ideen sammeln. Wie ich später auch die anderen Klassen unterrichten soll weiß ich zwar noch nicht, aber irgendwas wird mir schon einfallen.
Nebenbei habe ich auch einen Job meiner Vorgängerin übernommen: ich soll Kontakt zu einer deutschen Grundschule halten, die YCM gelegentlich Spenden zukommen lässt. Dass heißt für mich Fotos und Briefe von den jüngeren Schülern nach Deutschland schicken und meiner Kontaktperson an der Schule immer mal wieder zu berichten, wie es hier ausschaut.
Ausblick über die Umgebung
Auch muss ich mir langsam Gedanken darüber machen, wie ich meine Arbeit plane, ich kann zum Beispiel Samstags eine Community starten (die Schüler hier wollen eine Deutsch-Community) und dafür einen anderen Tag in der Woche frei bekommen. Oder die freien Tage dann sammeln und dafür mehr Urlaubstage bekommen (sehr verlockend).
Nächstes Wochenende steht aber ja erst mal die Dienstreise an. Bisher habe ich über den Strand, an den wir fahren nur gehört, dass er sehr schön sein soll, ich aber darauf achten muss beim Schwimmen möglichst nichts grünes zu tragen, weil man mich dann nicht wiederfinden kann, falls ich verloren gehe und da die Wellen wohl recht gefährlich sind, ist das schon ein paar Leuten passiert. Ich werds mir erst mal anschauen, aber es soll wohl auch einige ruhigere Ecken geben, schwimmen will ich auf jeden Fall
Weiter in der Woche.
Montag bin ich direkt mit einer Kollegin und Tina shoppen gegangen (okay, ich war eher nur Begleitung, während unsere Kollegin das Verhandeln für Tina übernommen hat). Die Mall in der wir waren, war verdammt günstig, naja, eigentlich ist hier bis auf elektronischen Sachen alles ziemlich günstig.. Tina und ich haben uns auch bereits beibringen lassen, wie man auf Indonesisch verhandelt, sehr wichtig hier, vor allem weil man uns für gewöhnlich wesentlich höhere Preise nennt, weil wir eben Ausländer sind.
Ansonsten konnte ich die Woche über nicht viel unternehmen, weil ich meistens erst recht spät nach Hause gekommen bin (hauptsächlich weil ich mich verfahren habe).
Gestern war ich aber dann endlich mal in dem Botanischen Garten hier, der im Übrigen tatsächlich rieeesig und wunderschön ist. Eigentlich ist es mehr ein großer Wald. Angelegt wurde der Garten, als Indonesien noch eine Kolonie war und das Gelände gehörte zum angrenzenden Palast. Leider sind die Indonesier schrecklich fussfaul und der Garten ist deswegen mit dem Auto befahrbar. D.h. man fährt mit dem Auto zu dem Ort, den man sich genauer anschauen will steigt da aus, läuft ein wenig herum und dann fährt man wieder weiter. Irgendwie ziemlich eigenartig. Auch mit der Sauberkeit haben sie es hier nicht so. Zwar sehen die Gewässer nicht annähernd so schlimm aus, wie der Fluss, der durch Bogor fließt, aber trotzdem findet man eine Menge Müll...
Ich werde mir aber wohl noch mal Zeit nehmen müssen um das ganze ohne meine Familie und vor allem zu Fuß zu erkunden. Die sind ja schon schockiert gewesen, als ich ihnen erzählt habe, dass ich die 15 Minuten zum Bus auch ohne Probleme laufen kann – die würden die Strecke mit dem Roller zurücklegen..
Der Garten wurde von einem deutschen gegründet
- deswegen musste ich natürlich daneben fotografiert werden
Mein Gastmutter und mein kleiner Gastbruder


Nach dem Botanische Garten hatte ich dann meine erste Bahasa lesson, auch wenn ich von den Jugendlichen bei YCM schon einiges gelernt habe. Wir treffen uns jetzt immer einmal wöchentlich mit den anderen deutschen Freiwilligen und zwei von unseren zuständigen afs-Leuten hier (wobei die eine gleichzeitig die Gastschwester von einer von uns ist). Mal sehen ob ich tatsächlich am Ende des Jahres dann Indonesisch kann – aber ich hoffe es doch.
Was gibt es sonst noch zu berichten. Das Essen hier ist zwar ziemlich lecker, aber es gibt definitiv zu häufig Reis. Heute habe ich Nasi Goreng zu Frühstück gehabt, vorgestern gabs sogar zu meinen Nudeln nochmal Reis. Ich bin mittlerweile wieder dazu übergegangen morgens vor der Arbeit nichts zu Essen, ich frühstücke ja eh schon nicht gerne und dann auch noch irgendwas Warmes? Nein danke. Dafür hatte ich zwischenzeitig diese Woche sogar Brot, zwar sehr labriges toastähnliches Zeugs, aber okay, es war schon mal ein Fortschritt. Auch wenn ich festgestellt habe, dass ich mein Brot wesentlich lieber mit einem Messer streiche, anstatt mit einer Gabel. ;)
Der Kaffee hier ist im Übrigen auch sehr gewöhnungsbedürftig. So viel Zucker kann man gar nicht in seinen Kaffee tun. Ich hab also mal nachgefragt, ob es denn auch Kaffee ohne Zucker gäbe, jetzt trinke ich also lösbaren Kaffee – auch nicht gerade die beste Alternative für mich, aber man gewöhnt sich dran.
Woran ich mich aber definitiv nicht gewöhnen kann sind unsere Angestellten. Die beiden Mädels hier machen wirklich alles. Vom Kochen, über die Wäsche bis hin zum Fegen. Mein Zimmer halte ich sogar von selbst ordentlich, weil die hier ein mal am Tag reinkommen und Fegen und mein Bett machen, selbst wenn ich das vorher schon selbst erledigt habe – danach ist es noch ein bisschen perfekter. Meine Wäsche stell ich vor die Tür, wenn ich sie gewaschen haben möchte und abends kommt liegt sie perfekt gebügelt und ordentlich zusammengefaltet in meinem Zimmer.
Ich würde gerne mal wieder selbst was machen, aber immer wenn ich dann mal meinen Teller selbst abspülen möchte sagt mir meine Gastmutter, dass ich das den Angestellten überlassen soll. Wahrscheinlich weiß ich Ende des Jahres nicht einmal mehr wie eine Waschmaschine funktioniert.

Ansonsten sind da noch so einige gewöhnungsbedürftige Dinge. Ich schaue zum Beispiel immer noch hoch, wenn jemand hupt, weil ich denke irgendwer will mich grüßen, dabei gehört das Hupen hier genauso zum Verkehr wie der Stau.
Und es kommen häufig kleine Kinder an und laufen mit einem Regenschirm neben einem her, falls man seinen eigenen mal vergessen hat, dafür gibt man denen dann halt ein paar Münzen.
Es gibt noch so viele kleine Dinge, von denen ich gerne erzählen würde, aber irgendwie ist mein Post jetzt schon wieder viel zu lang..

Alles Liebe und bis bald
Britta

P.s. nächstes Mal hab ich hoffentlich mal ein paar Bilder vom Haus, während meine Arbeit nämlich in einem rechten armen Viertel ist, führ ich hier dämlicherweise das reinste Bonzenleben. (okay, ich bin froh, dass ich eine einigermaßen normale Toilette habe und eine gute Internetverbindung, also sollte ich mich vermutlich nicht beschweren. ;) )

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